Die Gastronomie im Blut
Steinberg Gastronomie GmbH

Die Gastronomie im Blut

von Daniela Müller
Montag, 07.08.2017
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Silja Schrank-Steinberg fasste –glaubt man den Erzählungen ihrer Mutter – bereits mit acht Jahren den Entschluss, später in die Fußstapfen ihrer Eltern, Margot und Günter Steinberg, zu steigen. Damals, so heißt es, stand sie im Zelt und verkündete lautstark: »Ich will Wiesn-Wirtin werden!« Ein Berufswunsch der blieb, und einer, den ihr ihre Eltern 2012 erfüllen konnten, als sie das Zepter im Hofbräu-Zelt an ihre Kinder Friedrich, genannt »Ricky«, und Silja weiterreichten. Natürlich hatte dabei die Brauerei und das Finanzministerium ein Wörtchen mitzureden, da Hofbräu Eigentum des Freistaates Bayern ist. Jedoch hätte man sich dort vermutlich kaum perfektere Nachfolger vorstellen können.

Das Wiesn-Geschäft von der Pike auf gelernt

Silja und ihr Bruder sind praktisch mit der Wiesn groß geworden. Ihre Hausaufgaben haben sie während des Oktoberfests immer im legendären »Stüberl« gemacht, dem privaten Rückzugsort der Wirtsfamilie im Hofbräu-Zelt, in dem z. B. der verstorbene bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß gerne noch spät in der Nacht auf ein Gläschen Wein mit Vater Günter saß. Sobald es ging, übernahmen beide Geschwister kleinere Aufgaben im Zelt. »Wir sind in die Gastronomie hineingewachsen. Ich habe abends Inventur gemacht und die übrig gebliebenen Würstchen gezählt, Hendl für den Straßenverkauf eingetütet«, erzählt die Wirtstochter.

Lediglich im Zelt gekellnert, habe sie noch nie. »Außer bei den Bedienungen, die täglich die schweren Maßkrüge schleppen und wirklich eine Wahnsinnsleistung bringen, vor der ich großen Respekt habe, könnte ich in allen Bereichen einspringen«, schmunzelt sie. Heute profitiert sie längst nicht nur von den frühen Erfahrungen, die sie im zweitgrößten Bierzelt auf dem größten Volksfest der Welt sammeln konnte. Eine Lehre als ­Hotelkauffrau im Sheraton Hotel in München, ein Auslandsaufenthalt in Paris, eine Stelle bei einer Unternehmensberatung für Gastrobetriebe und die Geschäftsführung eines Wienerwald-Betriebes komplettierten das per­fekte Gesamtpaket für eine erfolgreiche Zukunft als Festwirtin.

Um erfolgreich zu sein, braucht man die richtigen Partner

Auch Ricky Steinberg half schon in der Jugend beim Zeltaufbau und bei anderen anfallenden Arbeiten. Anders als seine Schwester war er zu dieser Zeit jedoch weniger angetan von einer Zukunft im Gastgewerbe. »Es hat mich abgeschreckt, wie wenig meine Eltern – insbesondere mein Vater – zuhause waren. Das wollte ich für mich nicht«, gesteht er. Schließlich absolvierte er nach dem Abitur eine Banklehre und im Anschluss ein BWL-Studium mit den Schwerpunkten Wirtschaftsinformatik und Finanzierungen.

Die Gastronomie ließ ihn aber trotzdem nie los: »Ich habe im Studium nebenbei gejobbt und natürlich habe ich meine Familie jedes Jahr auf der Wiesn unterstützt«, so Ricky Steinberg. »Und irgendwann war mir dann eben doch klar, dass das hier genau mein Ding ist.« Heute ist er gemeinsam mit seiner Schwester nicht nur Gastgeber im Hofbräu-Festzelt, sondern leitet mit ihr auch den Hofbräukeller in München. Zusammen mit einem Geschäftspartner hat er zudem das Harlachinger Jagdschlössel übernommen und dazu kommt in diesen Tagen nun noch die Autobahnraststätte Fürholzen-West, die als »Autobahnraststätte der Zukunft« schon vor ihrer offiziellen Eröffnung in den Medien von sich reden machte. Eines seiner wichtigsten Erfolgsgeheimnisse: »Man muss die richtigen Leute im Boot haben. Deswegen übernehme ich kein Projekt ohne die richtigen Partner.«

Generationenwechsel verlief ­reibungslos

Die Zusammenarbeit der Geschwister jedenfalls funktioniert hervorragend, was wohl auch an der klaren Verteilung der Aufgabengebiete liegt: Silja Schrank-Steinberg ist in der Steinberg Gastronomie GmbH für die Bereiche Marketing, Personalschulung, Controlling und Qualitätssicherung verantwortlich, ihr Bruder für die technischen und kaufmännischen Belange. Beide kümmern sich zugleich tatkräftig um das Gästewohl – und darum, dass der ­Betrieb einwandfrei läuft.

Unterstützung von ihren Eltern erhalten sie noch immer, allerdings wohl­dosiert, denn – da sind sich die beiden Junioren einig: »Sie haben es verdient, jetzt kürzer zu treten. Wir haben großes Glück, denn der Generationenwechsel hat bei uns wirklich reibungslos funktioniert. Unsere Eltern haben uns schon früh unsere eigenen Entscheidungen treffen lassen. Das ist nicht selbstverständlich und deshalb wissen wir das umso mehr zu schätzen«, erklärt Ricky Steinberg.

Ausnahme-Gastronom Friedrich Jahn als Inspiration

Das Händchen für die Gastronomie haben die jungen Steinbergs dabei nicht nur von ihren Eltern, sondern wahrscheinlich schon von ihrem Großvater geerbt: Friedrich Jahn, der 1998 verstorbene Gründer des »Wienerwald«-Imperiums war eine bemerkenswerte Persönlichkeit der deutschen Nachkriegszeit.

Der »Chicken-King«, wie ihn das amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek einst nannte, arbeitete sich vom einfachen Kellner hoch, gründete die legendäre Wienerwald-Kette und schrieb damit Gastro-Geschichte. Er war es, der das Franchise-System in Deutschland ein­geführt hat. Doch ein Imperium war dem gebürtigen Linzer nicht genug: Auch Jahn Reisen gründete er, ebenso Weinkellereien, Autobahn-Raststätten, Transportunternehmen, eine Druckerei und einen Verlag, Immobiliengesellschaften, Beratungsgesellschaften für die Gastronomie. Tatsächlich hat es in der Nachkriegszeit kein zweiter Unternehmer in Deutschland so hoch nach oben geschafft wie Jahn. Und das alles mit einem Startkapital von 8.000 Mark, das er sich aus Trinkgeldern und Kellnergehältern zusammengespart hatte.

Wienerwald-Zerschlagung wäre nicht nötig gewesen

Leider endete die Erfolgsgeschichte des Wirts vom Wienerwald mit dem Niedergang seines Firmen-Imperiums. Zu Unrecht, sind sich seine Enkel sicher. »Es war ein Zeitungsartikel, der die Geldgeber verunsicherte und leider einen fatalen Stein ins Rollen brachte. Heute wissen wir: Der Vergleich, der 1982 geschlossen wurde, die Zerschlagung – das alles war ­eigentlich nicht notwendig. Jeder einzelne Gläubiger hat am Ende mehr als 100 Prozent seines Geldes wiederbekommen.« ­Genützt hat diese Erkenntnis freilich nichts mehr.

Fragt man die Familie Steinberg, so hat ihnen Friedrich Jahn dennoch eine Menge hinterlassen: »Ohne unseren Großvater wäre unser Vater wohl nie in die Gastronomie eingestiegen. Dann wäre alles anders gekommen, als es jetzt ist«, meint Ricky Steinberg. »Durch seine Unternehmertätigkeit und durch den Wienerwald sind meinen Eltern Türen geöffnet worden, die sonst sicher verschlossen geblieben wären.«

Und nicht nur als Gastronom war Friedrich Jahn ein echtes Vorbild für seine Enkel. »Er war ein Stehaufmännchen. Wir bewundern heute noch diese Kraft, die er hatte, als es ihm gelungen ist, nach der Wienerwald-Pleite noch einmal aufzustehen und sich nicht unterkriegen zu lassen«, erzählt Silja Schrank-Steinberg. Den Familienzusammenhalt betreffend, leben die Steinbergs heute noch nach seinen Werten. »Es ist wichtig, als Familie zusammen­zuhalten, sich zu unterstützen und die familiären Bindungen zu pflegen. Wir können aufeinander bauen, das ist sicher.«

Hofbräukeller
Foto: Steinberg Gastronomie GmbH

Hofbräukeller brauchte einen Imagewandel

Wie wertvoll der große Zusammenhalt im Hause Steinberg ist, verdeutlicht ein weiterer Meilenstein in der Familienhistorie: Die Brauerei suchte 1995 nach einem ­zuverlässigen Wirt für den damals schwächelnden Hofbräukeller in München-Haidhausen. Jene Location, die in den Geschichtsbüchern hauptsächlich des­wegen auftaucht, weil Adolf Hitler hier im Jahr 1919 seine erste parteipolitische Rede hielt. Wirte scheiterten bis dato regel­mäßig daran, hier rentabel zu arbeiten. Neben dem Oktoberfest wurde der Familie die Führung des Hofbräukellers angetragen und beides vertraglich verknüpft. Die Frage, ob das Angebot angenommen wird, stellte sich deshalb nicht. Rückblickend war es eine gute Entscheidung.

Ein Selbstläufer war die Übernahme jedoch nicht. Bis sich Pächter- und Imagewandel in München herumgesprochen hatten, musste die Gaststätte mehrere Jahre mit dem Ertrag aus dem Oktoberfest gestützt werden. Mittlerweile ist die Transformation vom traurig-düsteren Problembetrieb zum einladenden bayerischen Restaurant mit wunderschönem Biergarten und einem großen Herz für Familien vollendet. Auch dieser Erfolg war familiäres Teamwork vom Feinsten, denn dass sie ihre Kinder mit einer kräfte­raubenden Aufgabe wie dieser nicht im Stich ließen, darauf konnten Günter und Margot Steinberg zählen.

Festzelte werden streng kontrolliert

Seit 1980 ist das Hofbräu-Festzelt auf der Wiesn nun bereits fest in der Hand der Familie. Jedes Jahr befindet sie sich deshalb drei Wochen lang im Ausnahmezustand. Die Abläufe sind eingespielt, auch hier hat jeder seine festen Aufgaben: Während seine Schwester vormittags die Geschicke im Hofbräukeller-Büro leitet, beginnt der Tag auch für Wirt Ricky Steinberg früh. Er kann zwar mittlerweile eine Stunde länger schlafen, da er auf sein Personal vor Ort zählen kann. »Spätestens um 9 Uhr bin ich dann aber im Zelt und sehe nach, wie Küche und Service vorbereitet sind, bzw. ob alle Wartungs- und Reparaturarbeiten erledigt sind und ob alles sauber gereinigt wurde«, berichtet er.

Obendrein gibt es natürlich auf dem Oktoberfest jede Menge behördliche Vorschriften zu erfüllen. Von HACCP über den Brandschutz bis zur Arbeitszeitendokumentation für rund 400 Mitarbeiter – da kommt schon was zusammen. »Das ist nicht immer ganz leicht, denn obwohl man sich in einem zeitlich begrenzten Zeltbetrieb befindet, muss man selbstverständlich die gleichen Auflagen erfüllen wie in der ›normalen‹ Gastronomie«, führt Ricky Steinberg aus. »Tatsächlich werden wir dabei sogar wesentlich genauer kontrolliert. Unsere Zelte sind wahrscheinlich die bestüberwachtesten Gastronomiebetriebe Deutschlands«, schmunzelt der Wirt.

Rund 10.000 Gäste in einem Festzelt zu bewirten, bedeutet außerdem, eine riesige Verantwortung zu tragen. Nicht jeder Gast weiß, wie viele Maß Bier er verträgt – und manch einer benimmt sich bei steigendem Alkoholpegel daneben. Um zu verhindern, dass eine solche Situation eskaliert, behält nicht nur die Security, sondern auch der Wirt und seine Mitarbeiter die Gäste wachsam im Blick. Zudem ist auf das gute Auge und das Fingerspitzengefühl seiner Kapelle Verlass: Alois Altmann und seine Isarspatzen ­haben von ihrer Bühne aus den besten Überblick über das Geschehen und feine Antennen, was die Gemütslage im Zelt angeht –meist treffen sie den richtigen Ton. Steigt das »Zoff-o-Meter«, stimmen die Musiker einfach ein gemütlicheres Lied an, um ­einer Eskalation entgegenzuwirken – oder rufen gegebenenfalls die Security zum Ort des Geschehens. In der Regel sind Störenfriede schnell zur Räson gebracht und es kann weitergefeiert werden.

Mit Gottes Hilfe läuft alles gut

Die Steinbergs möchten nicht nur für ihre Gäste perfekte Gastgeber sein, sondern legen überdies Wert darauf, stets ein offenes Ohr für die Sorgen und Belange ihrer Mitarbeiter zu haben. »Wir sind stolz darauf, dass viele unserer Mitarbeiter immer wieder zu uns kommen. Wir schätzen ­unser Personal wirklich sehr und freuen uns, jedes Jahr darüber, viele altbekannte Gesichter zu treffen«, erzählt Silja Schrank-Steinberg. Einen offenen und ­fairen Umgang mit den Mitarbeitern zu pflegen, ist für sie selbstverständlich – das war schon zu Zeiten von Günter und Margot Steinberg so. Das beinhaltet die Wertschätzung jedes Einzelnen. Diese wird auch bei ­einem alljährlichen Ritual deutlich: Am letzten Wiesn-Tag verabschiedet sich jeder Mitarbeiter im Stüberl persönlich von der Wirtsfamilie und erhält als Anerkennung einen der begehrten Festkrüge überreicht.

Diese Nahbarkeit und die damit verbundene Herzlichkeit macht die Steinbergs zu perfekten Gastgebern. Eine große Unterstützung sei der gesamten Familie dabei ihr christlicher Glaube, so Silja Schrank-Steinberg. »Wir beten z. B. vor dem Oktoberfest mit einigen Mitarbeitern für den Schutz und Segen Gottes und nach der Wiesn danken wir ihm dafür, dass alles gut gegangen ist. Das gehört für uns einfach dazu.«

Dazu gehört für die Wirtsleute ebenfalls, dass sie von ihrem Glück etwas an die­jenigen weitergeben möchten, denen es weniger gut geht. Deshalb gründete die Seniorenfamilie Steinberg die Stiftung ­»‘s Münchener Herz«, eine Nachbarschaftshilfe, die sozial schwache Menschen in München unterstützt. Gemeinsam mit vielen ehrenamtlichen Helfern konnten die Gastronomen bereits viel bewirken.

Auf dem Boden der Tatsachen geblieben

Vielleicht ist es die traurige Geschichte, die einst dem eigenen Großvater wider­fahren ist – der schnelle Aufstieg zum Millionär und wieder zurück – welche die Steinbergs, allem Erfolg zum Trotz, so sehr auf dem Boden der Tat­sachen hielt. Für selbstverständlich jedenfalls, nehmen Ricky und Silja ihre Erfolge niemals.

»Wir sind unseren Eltern unglaublich dankbar für alles, was sie aufgebaut haben – und für das enorme Vertrauen, das sie in uns setzen, seit sie uns die Verantwortung für das Festzelt und den Hofbräukeller übertragen haben. Dieses Vertrauen möchten wir auf gar keinen Fall enttäuschen«, so Ricky Steinberg. Man werde die Betriebe im Sinne der Eltern weiterzuführen, ­betont er. »Auch weil wir ihre Vorstellung von gastronomischer Betriebs- und Personalführung genauso teilen, wie ihr Verständnis von Menschlichkeit. Diese Werte wollen wir beibehalten.« Und natürlich sei man Hofbräu München und dem Bayerischen Finanzministerium, für die Möglichkeit, in die Fußstapfen der Eltern zu folgen, sehr dankbar.

Ob die jüngste Generation der Steinbergs eines Tages ihr Glück in der Gastronomie finden wird, steht heute noch in den ­Sternen. Friedrich Jahn hätte sich sicher darüber gefreut, wenn einer oder sogar mehrere seiner fünf Urenkel die Familientradition fortführen würde. Bis dahin werden jedoch sicherlich noch viele Liter Hofbräu-Bier in die Maßkrüge der sym­pathischen Wirtsfamilie fließen.

Das Hofbräu-Zelt in Zahlen:

  • Länge: 85 m
  • Breite: 62 m
  • Höhe: 13 m
  • Fläche: ca. 5.210 qm
  • Garten: ca. 2.365 qm
  • Sitzplätze innen: 4.500
  • Sitzplätze Balkone: 1.518
  • Stehbereich: 1.000
  • Sitzplätze Garten: 3.022
  • Plätze gesamt: 9.992

Der Original-Text aus dem Magazin wurde für die Online-Version evtl. gekürzt bzw. angepasst.

Wussten Sie, dass …

…1981 für zwei Stunden ­Paulaner-Bier im Hofbräu-Zelt ausgeschenkt wurde?
Tatsächlich ging Festwirt Günter Steinberg eines Abends an einer der sieben Schänken das Bier aus. Der Super-GAU! Doch Richard Süßmeier, der Wirt des Armbrustschützenzelts stellte kurzerhand zwei ­Hirschen (Hirsch = bayerische Bezeichnung für ein 200-Liter-Fass) Paulaner-Bier zur Verfügung und rettete den Abend.

…der Hunger und Durst der Gäste im Hofbräu-Zelt riesig ist?
In 16 Tagen konsumieren sie:

  • 7.824 Hektoliter Hofbräubier
  • 70.735 halbe Hendl
  • 4.276 ganze Schweinshax’n
  • 6.294 Paar Schweinsbratwürst’l

…das Zelt praktisch mit einer ganzen Hopfenplantage dekoriert ist?
Zur Dekoration unter dem Dachhimmel werden jedes Jahr 12 Zentner Hopfen­reben aus der Holledau angebracht.

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