Clever Einkaufen
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Clevere Einkäufer sparen nicht an der Qualität

von Daniela Müller
Dienstag, 15.01.2019
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Vielen Unternehmern in unserer Branche ist überhaupt nicht bewusst, welche Dimension, Vielfalt, Reichhaltigkeit und Wertschöpfung der Einkaufsprozess hat«, ist sich Jochen Oehler sicher. Er muss es wissen, denn der diplomierte Betriebswirt leitet als Geschäftsführer die Geschicke des Einkaufs- und Beratungsunternehmens Progros, das derzeit rund 900 Hotels und Hotelgruppen betreut.

Für Oehler gilt ganz klar das Prinzip »Einkauf first«. Und zwar aus gutem Grund, denn ohne Einkauf gibt es weder Umsatz noch Gäste. Der Einkauf ist also schlichtweg die banale Grundlage dafür, dass ein Geschäftsbetrieb entstehen kann. Und er stellt die Weichen für Erfolg oder Misserfolg – denn mit der gekauften Ware muss der Gastgeber den Geschmack der Gäste treffen und deren Bedürfnisse erfüllen. »Der Einkauf spielt eine extrem wichtige Rolle im ganzheitlichen Erfolgskonzept eines Hotels oder Restaurants, weil hier eine wesentliche Umsetzung des Betriebskonzepts beginnt«, erklärt Jochen Oehler.

In vielen Betrieben ist Einkauf der größte Kostenblock
Unter »den Einkauf« fallen dabei für den Profi ganz klar nicht nur Lebensmittel, Getränke, Servietten & Co., sondern vielmehr alle Waren und Dienstleistungen, die der Gastronom oder Hotelier nicht selbst herstellt, sondern bezieht – also auch die externe Buchhaltung, Mietwäsche, Energie, Tele­fonie, IT-Software, das outgesourcte Housekeeping und vieles mehr. Alles in allem kommt da jede Menge zusammen: »In Summe sind das etwa 35 % der Kosten eines Hotels«, weiß Oehler. »Damit sind die Ausgaben für den Einkauf inzwischen der größte Kostenblock – noch vor den Personalkosten, die teilweise ›nur‹ noch bei 20 bis 30 % liegen.« Prognosen deuten darauf hin, dass der Anteil sogar weiter steigen wird, da die Hospitality-Branche immer stärker zum Outsourcing tendiert.

Wer also immer noch glaubt, dass es genügt, den Einkauf quasi »im Vorbeigehen« zu erledigen, der ist auf dem Holzweg. Vielmehr ist der Bereich eine elementare Stellschraube für den Unternehmenserfolg. Ein guter Einkäufer arbeitet strategisch und reagiert nicht erst, wenn das Regal leer ist oder das Toilettenpapier alle.

Direkte Einsparungen möglich
Wie aber funktioniert ein solcher strategisch gut strukturierter Beschaffungsprozess? »Viele verstehen unter Einkaufen nach wie vor das ›Bestellen‹ von Waren. Es sind jedoch viele einzelne Prozessschritte, die zusammengehören und aufeinander aufbauen, bis die Ware letztlich bei mir im Kühlhaus landet«, so Jochen Oehler.

Der eigentliche Vorgang beginnt schon mit der Bedarfsdefinition, also der Antwort auf die Frage »Was brauche ich in welcher Qualität und Menge?«, dann folgen das Sourcing, die Suche nach dem passenden Produkt – und schließlich gehören das Vergleichen, Verhandeln, Bestellen, Ware in Empfang nehmen, das Prüfen, Kontieren und Ablegen der Rechnung zum Einkauf dazu. Ein gut strukturierter Prozess ist erst gegeben, wenn all diese Einzelschritte für jeden Mitarbeiter verständlich definiert und perfekt aufeinander abgestimmt sind.

Wer das nicht hinbekommt oder wer einfach die Mühe scheut, der verschenkt meist neben wertvoller Zeit auch bares Geld. »Bei den direkten Einkaufskosten liegen die Vorteile zwischen einem guten und schlechten Einkaufsprozess im Schnitt über alle Sortimente und Produktgruppen bei mindestens um die 15 %«, betont Jochen Oehler. »Hat ein gastronomischer Betrieb zum Beispiel 500.000 Euro an Einkaufsausgaben, so sind das locker 75.000 Euro direkte Einsparung. Sofort. Und jedes Jahr. Das ist bei dem einen oder anderen Gastronomen fast ein Netto-Jahresgewinn. Dazu kommen die Vorteile bei den indirekten Einkaufskosten, also den Kosten, die mit dem Einkauf in Verbindung stehen, wie die Lieferantensuche, die Inventur oder die Ablage der Rechnungen.«

Rotwein ist nicht gleich Rotwein
Im Umkehrschluss wirken sich Fehler im Prozess schnell negativ auf das Ergebnis aus: Viele Gastro-Unternehmer haben zum Beispiel gar keinen Überblick mehr darüber, wie viel und was sie bei welchem Lieferanten einkaufen. Häufig mangelt es zudem an genauen Spezifikationen der benötigten Waren. Wer jedoch nirgendwo definiert hat, was überhaupt benötigt wird, kann kaum zwischen Produkten vergleichen. Rinderfilet ist nun mal nicht Rinderfilet – und Rotwein schon gar nicht Rotwein.

Oberflächliche Preisvergleiche statt professionellen Ausschreibungen, mit denen eine Vergleichbarkeit hergestellt wird, sind der Inbegriff eines schlechten Einkaufsmanagements. Und wer nur darauf achtet, alles möglichst billig zu bekommen, vergrault seine Gäste, indem er am falschen Ende des Einkaufs spart – nämlich an der Qualität. Das Ende dieser Sorte Unternehmer ist leicht vorhersehbar: totgespart.

Auch wenn Skontovorteile einfach verschenkt oder das Einfordern von vereinbarten Rückvergütungen vergessen wird, ist das ein bedenkliches Zeichen von fehlender Organisation im Beschaffungsmanagement.

Gut Ding will Weile haben
Gastronomen oder Hoteliers, die sich jetzt gerade an die eigene Nase fassen, sollten schleunigst ihre Ärmel hochkrempeln und aktiv werden. Mit einigen »Sofort-Maßnahmen« können die Gewinn-Weichen in die richtige Richtung gestellt werden, verspricht Jochen Oehler. Sein kurzfristiger Action-Plan für sogenannte »Quick Wins«:

  • Bündeln von Sortimenten zugunsten größerer Einkaufsvolumen pro Lieferant, um die eigene Attraktivität für den Lieferanten zu erhöhen
  • Jährliche Ausschreibungen bei allen großen Sortimenten wie Fleisch, Fisch, Gemüse, Beverage & Co., bei outgesourcten Dienstleistungen, Versicherungen etc. sowie Neuverhandlungen und regelmäßige Jahresgespräche mit den zehn größten Lieferanten des Hauses
  • Digitale Transformation und Umstellung der Einkaufs-, Beschaffungs- und Rechnungsbearbeitungsabläufe

Wer diese ersten Hausaufgaben erledigt hat, der sollte sich alsbald damit beschäftigen, sein Einkaufsmanagement als Ganzes gründlich zu analysieren und zu optimieren. »Das geht nicht auf einmal, sondern dafür benötigt man in der Regel bis zur vollkommenen Umsetzung zwei bis drei Jahre«, erklärt Oehler.

Einkaufsmanagement ganz einfach
Es ist gar nicht schwer, das Projekt Einkaufsmanagement professionell anzugehen. Der erste Schritt ist, sich mit allen verantwortlichen Personen an einen Tisch zu setzen, um sicherzustellen, dass jedem Einzelnen die Wichtigkeit der Materie bewusst ist. Jeder Abteilungsleiter analysiert dann seinen Bereich: Bei welchen Lieferanten kauft er welche Produkte zu welchen Konditionen? Wie läuft der Einkauf ab? Wie sehen die Vertragsvereinbarungen aus? Anschließend werden diese Erkenntnisse zusammengefasst und übereinandergelegt. Daraus resultieren Zielsetzungen in Bezug auf Einkaufsausgaben und -prozesse, und der Verantwortliche kann entsprechende Maßnahmen definieren. Diese »Analyseergebnisse« sind auch eine perfekte Grundlage, den Betrieb in Bezug auf Einkauf, Beschaffung und Rechnungsmanagement fit für die Digitalisierung zu machen.

Und noch einen guten Rat hat der Profi abschließend: »Lernt unbedingt zu verhandeln!« In den meisten Fällen schätzen Gastronomen und Hoteliers ihre Verhandlungskompetenz besser ein, als sie es in Wirklichkeit ist: Vorbereitung der Verhandlung, Strategie, Zielsetzung, Fragetechniken – all das ist für viele Menschen im Gastgewerbe absolutes Neuland. »Mich ärgert das sehr, weil das ein hausgemachtes Problem ist, das man abstellen kann, besser muss. Die Frage ist doch: Kann ein Küchenchef neben seinem Job auch gleichzeitig noch professionell Verhandlungen führen?« Tatsache ist, dass er es meist mit in Sachen Verhandlung deutlich besser geschulten Verkäufern zu tun hat, mit denen gute Konditionen ausgehandelt werden müssen. Es lohnt sich also, als Unternehmer größten Wert darauf zu legen, dass ein Mitarbeiter, der mit dieser Aufgabe betraut wird, dieser auch gewachsen ist – weil er entsprechend ausgebildet oder geschult wurde.

Gertrud Drewes
Foto: Mitchells & Butlers
Ralf Mayer
Foto: Distra Handels GmbH

Nachgefragt bei den Einkaufs-Profis
Darum lieben wir unseren Beruf

Gertrud Drewes verantwortet seit fast 20 Jahren den Einkauf der Mitchells & Butlers Germany GmbH, mit erfolgreichen Konzepten wie z.B. ALEX, Brasserie und Miller & Carter Steakhouse. Ralf Mayer ist Geschäftsführer der Handelsgesellschaft Distra Handels GmbH, die auch den Einkauf der Enchilada Gruppe verantwortet. HOGAPAGE hat mit beiden über ihren Beruf gesprochen.

Was reizt Sie an Ihrem Job als Einkäufer?
Ralf Mayer: Wir haben in der Gruppe rund zehn verschiedene Gastronomie-Konzepte. Diese Vielfältigkeit macht die Aufgabe so reizvoll. Hinzu kommt, dass wir uns ständig hinterfragen und permanent versuchen, unsere Prozesse weiter zu optimieren. Auch diese ständige Bereitschaft zur Veränderung und die ständigen Innovationen machen den Job so spannend.

Gertrud Drewes: Mein Aufgabenbereich ist wahnsinnig vielfältig. Neben der Recherche und dem Einkauf von Food & Beverage kümmere ich mich auch um viele andere Waren und Dienstleistungen: Non-Food-Artikel, Energie und Entsorgung – eben alles, was benötigt wird, damit unsere 43 Betriebe bestmöglich arbeiten können. So muss ich auch beachten, dass unterschiedliche gesetzliche Bestimmungen und Vorgaben seitens der Lieferanten/Dienstleister eingehalten werden. Das alles macht mir Spaß, denn kein Tag ist wie der andere und ich habe mit sehr vielen unterschiedlichen Menschen telefonisch und persönlich Kontakt.

Können Sie uns Ihr Erfolgsgeheimnis verraten? Nach welcher Philosophie kaufen Sie ein?
Ralf Mayer: Natürlich achten wir beim Einkauf auf die Qualität. Daneben legen wir immer größten Wert auf Fairness den Lieferanten gegenüber und haben zu allen Lieferanten ein partnerschaftliches Verhältnis. Zur Philosophie gehört auch, dass wir ständig den Markt analysieren und auf Neuigkeiten und Trends hin untersuchen. Dazu braucht es dann auch mal Mut oder den bestimmten Erfolgswillen, neue Dinge auch im Einkauf auszuprobieren. Darüber hinaus achten wir verstärkt auf den Faktor Nachhaltigkeit bei unseren Lieferanten.

Gertrud Drewes: Ein guter Einkäufer muss nicht nur gut verhandeln können, er muss auch in der Lage sein, unter mehreren Angeboten das Beste herauszufiltern. Dabei müssen viele Dinge gleichzeitig beachtet werden, wie z.B. Bestellvorgänge, Lieferzeiten, Abrechnungsmodalitäten etc. Der Preis ist sicherlich ein wichtiges Kriterium, genauso wichtig ist aber auch die Qualität – und die muss ein erfolgreicher Einkäufer immer gut im Blick haben. Manchmal klingt ein Sonderangebot verlockend, wenn man aber dann genauer hinsieht, ist oft eben nicht alles Gold, was glänzt.

Was sind die größten Herausforderungen, die Ihnen heutzutage in Ihrem Berufsalltag begegnen?
Ralf Mayer: Zu den größten Aufgaben zählt es sicherlich, die Produkte in der Qualität zu erhalten, die wir voraussetzen. Da wir für mehr als 200 Betriebe einkaufen, gehören natürlich auch Flexibilität der Lieferanten, die Versorgungssicherheit und eine gewisse Preisstabilität zu den größeren Herausforderungen im Alltag.

Gertrud Drewes: Die Digitalisierung führt auch in unserem Aufgabenbereich zu Veränderungen. Das Geschäft läuft heute weit weniger persönlich als früher. Heute brauche ich eine Kundennummer und eine Artikelnummer, und ohne die läuft nichts mehr. Ansonsten stelle ich immer häufiger fest, dass die Logistik mehr und mehr zu einer Herausforderung wird. Es wird sehr viel nur noch auf Bedarf produziert und gehandelt, was auch daran liegt, dass in vielen Firmen Lagerraum heute Mangelware ist. Das führt oft zu langen Lieferzeiten, die ich natürlich auch wieder mit einplanen muss.

Welche Fehler muss ein Einkäufer Ihrer Erfahrung nach unbedingt vermeiden?
Ralf Mayer: Der größte Fehler ist es, die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Lieferanten zu vernachlässigen – denn man braucht einander einfach. Das bringt mit sich, dass, um den Job erfolgreich zu gestalten, fachliche Fertigkeiten und soziale Fähigkeiten gegeben sein müssen. Ein weiterer großer Fehler ist es, den Fokus auf Produktqualität zu verlieren, das darf einem guten Einkäufer auf keinen Fall passieren.

Gertrud Drewes: Wer bei seinen Kaufentscheidungen nicht die Bedürfnisse des Unternehmens in den Vordergrund stellt, macht einen großen Fehler. Und da gilt: Der beste Preis ist nicht immer das Beste fürs Unternehmen!

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